77 Die Erfindung des Schweigens 05

Eine kleine Soziologie zum Verhalten des Publikums in der Oper von 1600 bis heute

Dass das Publikum im Opernhaus schweigt, sobald der Vorhang sich hebt, sobald der Dirigent seinen Taktstock hebt, ist heute allgemein üblich, war aber in der rund 400-jährigen Geschichte der Oper in Europa keineswegs von Anfang an so. Im Gegenteil – das Schweigen musste er erfunden werden und konnte sich erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts allgemein durchsetzen. Zuvor war die Oper nur ein Beiwerk für ein Publikum, das gewohnt war im Opernhaus zu schwatzen, zu flanieren, zu essen und trinken, sowie jeder Art von Geschäften nachzugehen. Uli Aumüller hat versucht, die ursprünglichen Verhaltensweisen zu rekonstruieren und nach den Gründen zu suchen, die zu den heutigen Standards führten.

Im fünften Teil möchte ich ihnen die Geschichte des Schweigens erzählen. Die Geschichte des Schweigens in der Oper, von den Anfängen bis heute.

Der letzte Teil unserer Geschichte führt uns nach Paris, zu einer letzten großen Saalschlachten in der Geschichte des europäischen Musiktheaters – wir besuchen das Berliner Metropoltheater und enden unsere Reise -die wir vor rund 400 Jahren in Rom und Florenz begann – in Stuttgart.

Musik: Ein Song von Fritzi Massary …

Mit irgendeiner Sehnsucht, die jede Frau in ihrem Herzen hat, gesungen von Fritzi Massary beginnt diese letzte Folge der Musikstunde, aber die Geschichte der Oper im 20. Jahrhundert beginnt eine paar Jahre früher, als diese Aufnahme entstand, nämlich schon im Jahr 1913. Man könnte aber auch sagen, dass die Geschichte der Oper des 19. Jahrhunderts bis auf den heutigen Tag nicht geendet hat. Der deutsche Komponist und Pianist Moritz Eggert hat nachgezählt. 556 Opern und Operettenpremieren gab es in der Spielzeit 2016/2017 in Deutschland, Österreich und der Schweiz. 497 Premieren waren von bereits verstorbenen, 63 von noch lebenden Komponisten – das Verhältnis von tot zu lebend liegt also bei etwa 8 zu 1. Wenn man noch dazu zählt, dass viele der Werke der lebendenden Komponisten für den Bereich der Kinder- und Jugendoper geschrieben wurden, also gar nicht auf der großen Bühne aufgeführt wurden, sondern nur auf der „kleinen“ oder in der Werkstatt, sieht das Verhältnis noch schlechter aus. Kein Kino, schreibt Moritz Eggert in seinem Blog, würde sich trauen, hauptsächlich Stummfilme aus den 20er Jahren zu zeigen, kein Museum mit Wechselausstellungen würde sich trauen, hauptsächlich Ölschinken aus dem 19. Jahrhundert auszustellen. Und kein Buchverlag würde sich trauen, hauptsächlich Publikationen in Sütterlin-Schriftbild zu veröffentlichen. Aber genau das, so Eggert weiter, liebe Freunde der Musik, machen unsere Opernhäuser, Klar, da spielen sie 19.Jahrhundert-Opern (die ungefähr 85 % des Repertoires ausmachen) mal im KZ, mal auf dem Mars oder auch mal unter dem Rock von Ivana Trump, aber – da beißt die Maus keinen Faden ab – die Musik ist dieselbe. Und um die geht es doch letztlich, sonst müsste man keine Oper machen. Und tausende von Sängern werden allein daraufhin ausgebildet, nur in einem Vokalstil zu singen, der genau an diese 19. Jahrhundertopern angepasst ist (allerdings nicht an alles, was davor oder danach kam). Solange das so ist, ist unsere Opernlandschaft tot, verarmt und erbärmlich, egal wie gut die Qualität der Inszenierungen ist. Soweit Moritz Eggert.

Manuskript zur Sendung

Gespräche mit Sven Oliver Müller

Exposé für den geplanten Film

Handschriftliches Drehbuch für den geplanten Film

Kritik Süddeutsche Zeitung

Diese Produktion kann als CD zum Preis von 12,80 € bei der inpetto filmproduktion bestellt werden. Bitte schreiben Sie eine mail an: bestellungen@inpetto-filmproduktion.de

Cast & Crew

Regie
Uli Aumüller (Text)
Drehbuch
Sven Oliver Müller