Himmel, Tod und Hölle - Todeserfahrung in zeitgenössischer Musik

Ein Streifzug von Uli Aumüller

Wie bewältigen, wie bearbeiten zeitgenössische Komponisten die Tatsache des Todes?

Frage: Inwiefern handelt die Musik immer vom Tod.
Wolfgang Rihm: Zunächst ist sie selber Zeichen des Vergehens. Es beginnt und
es endet, und am Leben erhalten wird es gerade dadurch. dass es dem Vergehen anheimgegeben ist. Musik existiert nicht, sie dauert nicht, obwohl sie in der Zeit durch Dauer überhaupt erst zum Leben kommt. Aber sie dauert nicht an. Ihr eigentliches Leben, die wichtigste Form ihres Lebens ist dann im Gehört-Werden. Im Moment nach dem Gehört-Werden, im Hörer, in jedem einzelnen Hörer. So erfährt sie durch jedes Erkennen Geburt. Eine enorme gesteigerte Geburt, eine Wiedergeburt, eine Vielwiedergeburt.
Frage: Wobei diese Geburt in Moment des Geborenwerdens schon wieder verklingt. Eine Geburt zum Tode.
Wolfgang Rihm: Ja, es ist ein dialektischer Vorgang. Es ist keine Geburt, um jetzt endlich zu existieren, sondern das ist bereits das Existieren, also im Geboren werden stirbt die Musik.

Gespräche mit WOLFGANG RIHM, DETLEV MÜLLER-SIEMENS und den Herausgebern der Reihe "KAMMERMUSIK AUS THERESIENSTADT.

Musik von Heinrich Schütz, Tomas Luis de Victoria, Bernd Alois Zimmermann, Victor Ullmann, Wolfgang Rihm, Detlev Müller-Siemens.

"Doch endlich, Jugend! verglühst du ja.
Du ruhelose, träumerische!
Friedlich und heiter ist dann das Alter!"
(Textausschnitt des Lieds "Abendphantasie" von Victor Ullmann, Theresienstadt 1943)

Zum selben Thema:
Im Geboren-Werden stirbt die Musik
Helmut Lachenmann und Wolfgang Rihm im Gespräch (10 Jahre später)

Cast & Crew

Regie
Uli Aumüller (Drehbuch)
Produzent
Helmut Rohm